UNTERNEHMENSKULTUR UND WERTE
„Du musst selbst die Veränderung leben,
die du erhoffst, in deinem Umfeld zu erwirken“
(Mahatma
Gandhi)
Systemprobleme (innen)
Zeitarbeitsentwicklung in Deutschland
In den letzten 10 Jahren hat sich die Leiharbeit
mehr als verdoppelt, in den letzten 20 Jahren fast versiebenfacht. Über 900.000 Leiharbeitnehmer
gab es Anfang 2012 in Deutschland, mehr als alle direkt Beschäftigten im Automobilbau
(OEM). Dies entspricht knapp 3% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen.
Interessant ist die Dynamik in diesen Sektor. Laut der Bundesarbeitsagentur für Arbeit
wurden im 1. Halbjahr 2011 580.000 Leiharbeitsverträge neu geschlossen und im gleichen
Zeitraum 569.000 Verträge beendet. Diese Zahlen spiegeln ein hohes Entlassungsrisiko
wider. Für die Arbeitgeber bedeutet die in Deutschland gesetzlich geregelte Möglichkeit
der Arbeitnehmerüberlassung Flexibilität und Kosteneinsparung. Leiharbeiter verdienen
in der Regel weniger, haben weniger Rechte und sie wissen oft nicht, wo sie morgen
eingesetzt werden. Leiharbeiter werden oft wie Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt.
Die Leiharbeit als Instrument der Flexibilität kann produktiv sein, Leiharbeit als
Dauerbeschäftigung kann aber auch schaden. Aus eigenen Erfahrungen als Projektleiter
in der Automobilindustrie kann ich bestätigen, dass es in den letzten Jahren einen
starken Anstieg von Leiharbeit in den Projekten gegeben hat. Leider ist es den Projektteams,
durch die meist kurze Beschäftigung und den häufigen Wechsel der Leiharbeiter, nicht
gelungen die MitarbeiterInnen wie Festangestellte in die Projekte zu integrieren.
Auch war eine Stigmatisierung der Leiharbeiter zu beobachten, mit dem Ergebnis nicht
auf der gleichen Stufe wie Festangestellte zu stehen. Diese Stigmatisierung hat die
Unternehmenskultur negativ beeinflusst. Die Untersuchungen von Detlef Wetzel und
Jörg Weigand im „Schwarzbuch Leiharbeit“, bestätigt meine persönlichen Beobachtungen.
Meine persönlichen Erfahrungen sollen nur ergänzend beitragen, sind subjektiv und
basieren auf keiner statistischen oder wissenschaftlichen Grundlage.
Unfaire Handels- und Geschäftsbeziehungen in der Lieferkette
Durch den zunehmenden Anstieg des Wertschöpfungsanteils der Zulieferer im Automobilbau und die dadurch entstehende Verschiebung der Abhängigkeitsverhältnisse zugunsten der Zulieferer, ist insgesamt eine Entwicklung in Richtung Kooperation in der Entwicklung und in der Endmontage zu beobachten. Trotzdem ist immer noch ein günstiger Preis als Bewertungskriterium zur Vergabe von Aufträgen der Automobilzulieferer an die Zulieferer zu beobachten. Der enorme Kostendruck, Zielpreisvorgaben der OEMs und eine sehr angespannte Wettbewerbssituation führen immer noch zu kurzfristig angelegten Partnerschaften in der Lieferantenkette. Nachhaltige und auf Langfristigkeit angelegte Beschaffungsentscheidungen sind nur bei komplexen und strategischen Beschaffungsobjekten zu beobachten. Diese Verhaltensmuster der Beschaffung führen oft zu unfairen Nominierungen von Zulieferern, wobei auch die eigentlich geforderten sozial- und Umweltanforderungen sekundär werden.
Irritationspotential (außen)
Zurzeit beschränkt sich die Nachhaltigkeitsdiskussion mit Forderungen an den Umweltschutz und die Einhaltung von Sozialstandards auf Branchen wie die Textil-,Sportartikel-, Spielzeug und Ernährungsindustrie. Wie schon an anderer Stelle berichtet, gibt es neuerdings auch Beispiele aus der Elektroindustrie.Ebenso könnte auch die Automobilindustrie von negativen Schlagzeilen in den Medien betroffen sein. Ohnehin ist die Tendenz einer Sensibilisierung der Verbraucher in weiteren Konsumsegmenten offensichtlich. Das Systemirritationspotential wäre durch eine Werteverschiebung in der Industriegesellschaft zu einem weiter ansteigenden Umwelt- und vor allem Sozialbewusstsein.